Dialogwoche Alkohol 2023 - Herr Daniel erzählt seine Geschichte

Die Sonne geht morgen trotzdem wieder auf. Der Weg von Herrn Daniel

Herr Daniel ist im Anton Proksch Institut wegen Alkoholproblemen aufgenommen, zwei frühere Aufenthalte hat er bereits hinter sich. Er kommt gerade aus der bezugstherapeutischen Gruppe, wo all jene Patientinnen und Patienten zusammen eine Gruppentherapie absolvieren, die von einem Bezugstherapeuten oder einer Bezugstherapeutin gemeinsam geführt werden. Herr Daniel berichtet von seinem Weg zur Selbstakzeptanz, über Ehrlichkeit – und dass es im Krankenhaus auch Spaß geben kann. In voller Länge zum Nachhören gibt es das Gespräch in der neuen Folge unseres Podcasts „Redesucht“!

Wie geht es Ihnen denn nach der Gruppe?

Grundsätzlich eigentlich immer ganz gut. Ich habe ja schon einige hinter mir. Ich versuche, so viel wie möglich mitzunehmen. Was ich sehr interessant finde, sind die verschiedenen Stationen, in denen sich die anderen Patientinnen und Patienten befinden. Das ist ja sehr unterschiedlich: Manche sind gerade erst eingecheckt, manche schon viele Wochen da. Da erkennt man sich recht oft wieder. Es ist sehr wichtig dem, wo die anderen gerade sind, ihren Meinungen, Raum zu geben.

Wie weit sind Sie da schon gekommen?

Meine Bezugstherapeutin sagt, sie hat schon einiges an Entwicklung bei mir festgestellt. Das war ein schönes Feedback für mich. Wenn man das auch von Außenstehenden hört, dass sich etwas getan hat. Das war am Anfang noch anders. Niemand kommt gerne herein. Es gehört schon ein Stück Mut dazu. Und es ist anstrengend, an sich zu arbeiten.

Was hat Ihnen geholfen, es trotzdem zu tun?

Ehrlich zu reflektieren. Warum habe ich bisher immer diesen vermeintlichen Regler Alkohol gebraucht, um mich oder mein Umfeld, mein Leben attraktiv zu finden. Aushaltbar zu finden. Es war ein langer Lernprozess. Etwas muss gewaltig in Schieflage sein, es so verführerisch zu finden, das nie nüchtern wahrzunehmen. Sein Leben nie nüchtern wahrzunehmen.

In der Therapie geht es also auch darum, sich selbst regulieren zu lernen, Gefühle aushalten zu lernen, ohne sich mit Alkohol zu sedieren?

Das ist stark im Fokus. Dass ich nichts mehr trinken will, war schon lange mein Wunsch. Aber das war zu wenig. Weil das Problem ja viel viel tiefer liegt. Es war für mich ein extrem positives Aha-Erlebnis, mich hier im Krankenhaus einmal nicht so gut gelaunt aushalten zu können. Zu lernen, es ist völlig in Ordnung, einmal nicht so gut drauf zu sein. Muss ich nicht sein! Es war angenehm, am Abend ins Bett zu gehen, den Tag Revue passieren zu lassen und zu wissen: Ich war heute die ganze Zeit nicht so happypeppi drauf ─ und es ist erlaubt. Es hat mich keiner verurteilt. Und selber muss ich mich auch nicht verurteilen! Die Sonne geht morgen trotzdem wieder auf.

Glauben Sie, dass Sie das draußen beibehalten können? Zeigen, dass es Ihnen nicht gut geht?

Auf jeden Fall. Das ist ja nichts anderes als ehrliche Selbstfürsorge. Sich zu akzeptieren, wie man ist. Immer gut drauf sein, das ist ja unmenschlich. Es geht darum, Gefühle wieder richtig einzuordnen. Durch den Konsum ist das alles verfälscht worden.

Was hat zu diesem neuen Gefühl beigetragen?

Sich selber auszuprobieren. Ich bin jetzt 30 Jahre alt und habe nicht gewusst, wie gerne ich eigentlich zeichne. Wie gerne ich Ton in der Hand habe, in der Kreativwerkstatt mit Naturmaterialen arbeite. Wie man sich darin positiv verlieren kann. Sich hinzusetzen und nicht zu wissen, was daraus wird. Abschalten. Dem Kopf eine Auszeit geben. Ich sehe das nicht als Ersatz für Alkohol. Sondern als etwas Besseres.

Gibt es Freude in einer Suchtklinik?

Ich habe seit ewig keinen so ehrlichen Spaß mehr gehabt wie hier herinnen. Das habe ich davor lange nicht mehr gespürt. Mit Betroffenen, die am Ball bleiben. Die sich nicht aufgegeben haben. Das tut gut. Und das geht ohne Suchtmittel. Das muss man neu lernen. Aber das mache ich total gerne! Am Anfang habe ich geglaubt, jetzt, im Krankenhaus, wird alles ernst. Aber das ist nicht eingetreten.

Was wünschen Sie sich für sich?

Vor dem Aufenthalt im API habe ich mir gewünscht, wieder stabil mit dem Leben umgehen zu können. Jetzt ist es Zeit für neue Ziele. Ich wünsche mir vor allem, dass ich so lange wie möglich schätzen kann, was ich herinnen erleben durfte. Und das ist vor allem Zeit. Ehrlich gemeinte Zeit. Egal mit wem.

Das Interview mit Herrn Daniel können Sie auch auf unserem Podcast-Kanal Rede Sucht hören.

RedeSucht - Herr Daniel erzählt seine Geschichte - Impressionen einer Suchtbehandlung Part I

RedeSucht - Herr Daniel erzählt seine Geschichte - Impressionen einer Suchtbehandlung Part II

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